Einblicke in das völlig Fremde

Die Ich-Erzählerin, die sich nur „Dochter" nennt, hat Blut an den Händen. Wessen Blut ist es und wie kommt es dorthin? Das wüsste auch die Polizei gerne, die Dochter festgenommen hat. Der Leser erfährt das Ausmaß des Grauens nach und nach, ist Dochter doch zum einen geistig minderbemittelt und zum anderen autistisch und kann entsprechend weder die eigenen Handlungen noch die ihrer Umwelt für den gemeinen Leser logisch einordnen.

 

 

Dieser kann nur Rückschlüsse aus ihren Beschreibungen ziehen. Auf diesem Umweg entsteht das Bild eines stark verwahrlosten Haushalts, eines ebenfalls nicht ganz sauber tickenden, eigenbrötlerischen Vaters, dem die Frau davongelaufen ist, und eines Mädchens, das die fehlende Liebe und Körperlichkeit bei seinen Meerschweinchen sucht, die es sehr wenig artgerecht hält und nach normalen Maßstäben regelmäßig misshandelt, bis die Tiere sterben.

 

Dochter ist nicht in der Lage, in einem normalen Kontext zu funktionieren, sodass sie umgeschult werden muss, woraufhin der Vater dem Schulbesuch keinerlei Bedeutung mehr beimisst und sie zu Hause behält. Dadurch sozial noch mehr isoliert, pflegt sie als einzigen Kontakt die „Freundschaft" zum Nachbarsjungen Jonas, der ihre geistig-psychische Behinderung zunehmend ausnutzt und anfängliche Doktorspielchen mit den Jahren immer mehr ausweitet. Auch diesen MIssbrauch kann Dochter nicht einordnen.

 

Im zweiten Handlungsstrang, in dem die Polizisten Dochter zu entlocken versuchen, was sie getan hat und warum, wird deutlich, zu was für einem zutiefst gestörten und allseits missbrauchten Wesen sich die junge Frau entwickelt hat.

 

Dochter ist eine grausige Geschichte, aber ein sehr gelungenes Romandebüt, für das Lenny Peters verdientermaßen die Bronzen Uil 2018 erhalten hat.